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Geburtstagsfahrt mit dem Roten Doppelpfeil «Churchill» der SBB

Der Rote Doppelpfeil SBB RAe 4/8 1021 wurde an der Schweizer Landesausstellung 1939 als Prestigeobjekt und Beispiel Schweizer Wertarbeit präsentiert. Den legendären Beinamen "Churchill" bekam er 1946, als Sir Winston Churchill mit diesem Zug als Staatsgast durch die Schweiz reiste und so ist er bis heute als "Churchill-Pfeil" respektive "Churchill-Doppelpfeil" bekannt. Wo er auftaucht, ist dem "Churchill-Pfeil" Bewunderung gewiss und so ist es auch Konrad Matt ergangen, als er vor etlichen Jahren an den Gleisen stand und Züge fotografierte. Da ist Koni die Idee gekommen zu seinem 80. Geburtstag im Mai 2020 Gäste für eine Zugfahrt einzuladen. Wegen Corona noch verschoben wurde diese Fahrt dann am 04. Oktober 2020 Wirklichkeit.

Ein Traum wurde wahr: Konrad Matt auf Geburtstagsfahrt mit dem Churchill-Pfeil                                Foto: Peter Hofstetter

 

 

 

 

Reisebericht von Kontrad Matt zur seiner Geburtstagsfahrt mit dem "Churchill-Pfeil" am 04. Oktober 2020

 

"Die Idee, an meinem 80sten meine Gäste zu einer Zugfahrt einzuladen, kam mir vor etlichen Jahren, als ich am Geleise stand und Züge fotografierte. So kontaktierte ich SBB Charter und die Idee wurde zu einem durchführbaren Projekt entwickelt. Bei der Routenwahl wollte ich wenig bekannte Strecken berücksichtigen. Start und Ziel der Rundreise sollte mein jetziger Wohnort Luzern sein. Die Fahrt sollte um etwa 10 Uhr beginnen und ca. 16 Uhr enden, inklusive Mittagessen im Zug.

 

Wir fuhren also von Luzern via Luzern-Verkehrshaus entlang dem Vierwaldstättersee nach Immensee. Dort gab‘s den ersten von drei Wendepunkten. Über Rotkreuz, durch das Reusstal und das Bünztal bis Hendschiken befuhr unser eleganter Triebwagen eine Strecke, auf der sonst vor allem schwere Güterzüge von Süden nach Norden und umgekehrt donnern. Nach einem kurzen Halt in Lenzburg wählten wir die Strecke der ehemaligen Nationalbahn und erreichten unseren zweiten Wendepunkt Zofingen via Suhr und Safenwil. Während der Lokführer den Führerstand wechselte, hatte man kurz Zeit, sich die Beine zu vertreten. Bald aber ging’s weiter über die sogenannte Kriegsschlaufe nach Rothrist und via Langental nach Huttwil.

 

Inzwischen war auch das Servicepersonal von Elvetino nicht untätig geblieben, und wir genossen ein erstklassiges Mittagessen in erstklassigem Ambiente. Für die nun folgende Strecke von Huttwil nach Sumiswald nahmen wir uns anderthalb Stunden Zeit. Fahrplantechnisch kein Problem, denn die Strecke wird nur noch von Sonderzügen befahren. Der einstündige Halt in Affoltern-Weier kam allen Fahrgästen gelegen, um sich auszutauschen und Selfies zu knipsen, mit dem schönen Zug als Kulisse. Vor Sumiswald gab’s noch einen kurzen Halt auf offener Strecke, damit die teils weit hergereisten Fotografen in aller Ruhe ihr Bild des Tages schiessen konnten.

 

Auf der Heimreise über Langnau im Emmental und durch das Entlebuch waren die Gäste in aufgeräumter Stimmung. Die stilvolle Reise in diesem Luxuszug, die Fahrt durch selten gesehene Landschaften, das gute Essen, verbunden mit dem erstklassigen Service, und nicht zuletzt das milde Herbstwetter, machten diesen Tag zu einem einmaligen Erlebnis für alle meine Gäste."

 

 

Die Geschichte vom Schnelltriebwagen Re 4/8 301 bis zum «Churchill-Pfeil» RAe 4/8 1021

 

Für die Landi 1939 entwarf die Schweizer Rollmaterialindustrie unter Leitung der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur, einen «Roten Doppelpfeil». Die Landesausstellungen dienten jeweils als Leistungsschau, an der Schweizer Institutionen und Unternehmen die Leistungsfähigkeit des Landes zur Schau stellten. Am Bau des Fahrzeugs beteiligten sich neben der SLM auch die Schweizerische Waggonfabrik Schlieren (SWS), Brown, Boveri & Cie (BBC), die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) und die Société Anonyme des Ateliers de Sécheron (SAAS). Aus der Zusammenarbeit entstand der Schnelltriebwagen Re 4/8 301, der im Mai 1939 in Dienst gestellt wurde und eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h aufwies, die damals allerdings nirgendwo auf dem Schweizer Schienennetz ausgefahren werden konnte.

 

Ab 1941 wurde der Doppelpfeil für den Charterverkehr freigegeben, die Reisegeschwindigkeit, die damals schon 100 km/h nicht überschritt, gilt bis heute unverändert, als für Passagiere noch komfortable Höchstgeschwindigkeit. Im Jahr 1944 erhielt der Doppelpfeil die Bezeichnung RBe 4/8. Zwei Jahre später kündigte sich mit Sir Winston Churchill, dem ehemaligen britischen Premierminister, hoher Besuch in der Schweiz an und der Doppelpfeil wurde im September 1946 zur Beförderung des Staatsgastes eingesetzt. Seit diesem legendären Einsatz ist dieser Zug kaum mehr unter seinen zahlreichen Typenbezeichnungen, sondern als «Churchill-Pfeil» bekannt. Seine offizielle Bezeichnung änderte sich bereits 1948 wieder, als der Doppelpfeil RBe 4/8 die Betriebsnummer 651 erhielt.

 

1953 wurden mit den RBe 4/8 661 und 662 von SWS und BBC zwei weitere "Rote Doppelpfeile" in Betrieb genommen. Diese wichen mechanisch und elektrisch vom «Churchill-Pfeil» deutlich ab, hatten eine normalisierte Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h und eine etwas höhere Leistung.

 

1956 erhielten die drei Doppelpfeile ihre zuletzt gültige Baureihenbezeichnung; mit Aufhebung der dritten Klasse (C) wurden die Doppelpfeile neu zu RAe 4/8 hochgestuft. 1959 erhielten die Doppelpfeile schliesslich gemeinsame, fortlaufende Betriebsnummern: RAe 4/8 1021 (Churchill-Pfeil) sowie RAe 4/8 1022 (nach einer Kollision 1977 abgestellt und 1980 abgebrochen) und RAe 4/8 1023 (Brand im November 1985, der zu seinem Abbruch führte).

 

Während der verunfallte RAe 4/8 1022 im Laufe des Jahres 1980 durch die SBB HW Zürich abgebrochen wurde, versuchte man den nicht mehr betriebsfähigen «Churchill-Pfeil» RAe 4/8 1021 unter anderem als historisches Fahrzeug im Verkehrshaus in Luzern unterzubringen. Da dies nicht gelang, wurde das defekte Fahrzeug über die Jahre an verschiedenen Orten abgestellt, ehe es im März 1985 zum Schrottwert an den privaten Interessenten Intraflug (Alby Glatt sel.) verkauft wurde.

 

Der Besitz der Intraflug gelangte durch deren Verkauf 1994 an das Reisebüro Mittelthurgau, einer Tochtergesellschaft der Mittelthurgaubahn (MThB). Der MThB gelang im September 1996 die erneute Inbetriebnahme des «Churchill-Doppelpfeils», der im Auftrag der MThB durch die Werkstätte Samstagern der Südostbahn (SOB) aufgearbeitet wurde. Das als RAe 4/8 1021 restaurierte Fahrzeug erhielt die MThB-UIC-Bezeichnung RAe 506 605.

 

Mit dem Konkurs der Mittelthurgaubahn, deren Konkursmasse 2002 weitgehend von den SBB übernommen wurde, kam das historische Fahrzeug wieder zurück zu den SBB. Ende 2004 wurde das Paradefahrzeug vollständig revidiert und steht seither allen Interessenten als Charterfahrzeug für Fahrten durch die Schweiz zur Verfügung. Der «Churchill-Doppelpfeil» gehört heute der Division Personenverkehr der SBB und wird durch SBB Charter vermarktet. Anfang 2019 wurde der «Churchill-Doppelpfeil» umfassend revidiert und steht für individuelle Charterfahrten und öffentliche Erlebnisreisen im Einsatz. Bei den SBB wird das Fahrzeug als RAe 591 021 geführt.



 

               Fotoalbum von der Geburtstagsfahrt


                                                    Churchill auf Geburtstagsfahrt, ein Video von  Joel Blättler


                                            Drohnenaufnahmen entlang der Strecke, ein Video von Gabriel Arnold


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Kommentare: 1
  • #1

    Toni Güggi (Freitag, 30 Oktober 2020 16:04)

    Lieber Koni,
    ich weiss zwas immer noch nicht, ob Dich diese "Post" auch erreicht. Darum nur kurz und "allgemein". Ich habe mir gleich nach unserem Telefon das Video und einige Fotos angeschaut. Eine Supe-Idee, diese Geburtstagsfahrt!
    Und wie abgemacht, gell: beim Hundersten bin ich dann auch dabei!
    Danke nochmals für den Hinweis betr. Frau Erni.
    Herzlichen Gruss
    Toni